Meinungen

Weltenbürgerin

Für mich als Yogalehrerin und spiritueller Mensch stammen alle Menschen von einer Wurzel ab, gehen aus einer Quelle hervor. Wir ALLE sind Geschöpfe dieser Welt. Ich sehe mich selbst nicht so sehr als Wienerin, Österreicherin oder Europäerin, sondern als Weltenbürgerin. Wie schön wäre es, wenn wir alle einfach nur WeltenbürgerInnen wären! Warum brauchen wir Landesgrenzen? Warum dürfen Menschen nicht dorthin ziehen, wo es gut zu leben ist?

Ich habe das Geschenk erhalten, hier in Österreich geboren worden zu sein. Das ist nicht mein Verdienst, sondern Zufall. Ich darf hier in Reichtum, Frieden und relativer religiöser und geschlechtlicher Gleichberechtigung leben.

Eine Mischung von Kulturen ist fruchtbar, vorausgesetzt sie geschieht mit Respekt. Die engen alpinen Täler der Alpen, abgeschiedene Gegenden waren stets Nährboden für enges Denken. Warum sonst fürchten sich besonders Menschen, die nie einen Ausländer gesehen haben, vor Ausländern? Das Abschotten bzw das Schließen von Grenzen ist eine kurzfristige Lösung. Aber langfristig werden jene Staaten profitieren, die neue junge Talente ins Land lassen und so ihre veraltete Gesellschaft durchmischen.

Das hätte den Vorteil, dass die „Alten“ gezwungen sind zu teilen, zu reflektieren, sich zu ändern und aus der Komfortzone herauszubewegen. Die „Neuen“ bringen frischen Wind, Blut und Ideen. Wenn dies alles im Respekt zueinander passiert, haben wir eine gesunde Gesellschaft, die für die Zukunft gerüstet ist. Ja, das wird mitunter mühevoll und nicht bequem sein. Aber wenn wir in der Geschichte (auch in der österreichischen) zurückblicken, war das Durchmischen immer fruchtbar.

Ich bin überzeugt, dass diese Frauen und Männer, die wehmütig ihre alte Heimat verlassen haben und mit großen Hoffnungen zu uns nach Österreich kommen, enorm wertvoll für uns „Alte“ sind. Nicht nur menschlich, sondern auch politisch, religiös und kulturell. So wie Herbert Grönemeyer in der Filmreportage zu seinem 60er kürzlich sagte: Geflüchtete zwingen uns „Eingesessene“, nachzudenken, ob und was in unserer Gesellschaft veränderungswürdig ist. So wird zum Beispiel in der Debatte um die Mindestsicherung plötzlich auch die Armut in österreichischen Herkunftsschichten thematisiert.

Ich bin ein Kind der 2. Generation. Meine Mutter wurde mit 8 Jahren, weil sie einer deutsch sprachigen Familie entstammte, aus Brünn vertrieben. Sie erzählt noch heute unter Tränen, wie sie ihre Großeltern zurücklassen musste, weil sie zu alt waren, und die Erinnerungen an die Flucht sitzen noch sehr tief. Vielleicht ist das der Grund, warum ich heute mit Geflüchteten mitfühle und sie bei ihrem Ankommen in ihrer neuen Heimat unterstützen möchte.

Neues kann sich nur in der Weite und in der Freiheit entwickeln. Ich behaupte, dass alle Errungenschaften unserer Welt in der kreativen Phase der Freiheit entstanden sind, wo Raum und Zeit keine Rolle spielen. Wer eng lebt und denkt, verharrt in seiner bescheidenen Welt. Wer hinausgeht, sich austauscht und anderen offen begegnet, wird aus der Mischung von Alt und Neu eine Zukunft in Fülle für sich und zum Wohle aller gestalten.

Als Abschluss möchte ich Dir noch ein Bild mitgeben: Stell Dir eine Blume vor: Ihre Samen liegen in der Erde, ihre Wurzeln sitzen tief in der Erde. Dann sammelt sie all ihre Kraft, stößt durch die Erde hinaus ans Licht der Welt. Sie wächst in eine neue Welt, während ihre Wurzeln ihr nach wie vor Nahrung geben. Schließlich erblüht sie aus der Symbiose aus alter (Erde) und neuer (Licht) Welt und erfreut mit ihrer Blütenpracht ihre gesamte Umgebung.

Mögen alle Menschen, egal wo ihre Wurzeln liegen, in der Welt erblühen!

Barbara Sburny

Yogalehrerin Akad. Psychosoziale Gesundheitstrainerin
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