In der letzten Zeit wird viel über Rassismus und die Diskriminierung von Menschen mit anderer Hautfarbe als deren Umgebungswelt gesprochen. Das ist gut und wichtig. Aber ich finde, es sollte noch darüber hinaus gehen. Wir sollten generell darüber nachdenken, wie wir mit Menschen, denen wir begegnen, mit denen wir unsere Zeit verbringen und die wir vielleicht sogar unsere Freunde nennen, umgehen.
Ob wir wollen oder nicht, wir wenden ein Schubladendenken für alle Menschen an. Wir versuchen sie zu kategorisieren, in unser vorhandenes Schema einzugliedern. Einerseits um uns zu schützen – da wir ja alle unsere schlechten Erfahrungen nicht wiederholen möchten -, andererseits auch um die enorme Datenmenge, die unser Gehirn jede Sekunde erreicht, besser verarbeiten zu können. Das ist nichts Schlechtes. Wir sollten uns dessen jedoch bewusst sein und unsere Denkweise immer wieder überprüfen. Aus einer Momentaufnahme kann man kein ganzes Bild erstellen. Da gehört mehr dazu. Das wäre, wie wenn wir aus einem Standbild eines Films die gesamte Handlung erraten müssten. Es lohnt sich immer ein zweiter Blick und Aussagen/Handlungen zu hinterfragen.
Menschen haben viele Facetten. Das ist das Interessante an Ihnen. Sie nehmen viele verschiedene Rollen ein. Eine Frau könnte Mutter, Partygirl, Tochter, Anwältin und Freundin sein, jedoch selten nimmt sie alle Rollen gleichzeitig ein. Wenn wir uns ein paar Minuten für ein Gespräch Zeit nehmen, erscheint uns die andere Person oft schon in einem neuen Licht. Unser Verhalten ist situationsabhängig. Auch unsere Gefühle und unser Mood haben großen Einfluss darauf. Die vernünftigste Person kann einen ausgeflippten Tag haben, die liebenswerteste auch plötzlich einen Streit anfangen. Wir sind oft sehr vorschnell mit einem Urteil! Was wir bei uns selbst mit einem Augenzwinkern abtun, erregt oft sofort unseren Anstoß bei anderen.
Meine Vorgangsweise in solchen Momenten ist, in diese Person zu schlüpfen. Warum verhalte ich mich so? Wie sehen mich andere? Erkennen Sie, dass ich auch ganz anders sein kann? Verändert das Fremdbild wie ich über mich denke? Welche Gefühle habe ich selbst dabei? Wie verändert das meine Verhaltensweise? Was erwarte ich von meinem Gegenüber? Glauben Sie mir, es gibt nichts Schöneres als in angespannten Momenten bei seinem Gegenüber mit ein wenig Einfühlungsvermögen ein Lächeln hervorzuzaubern.
Und da ist noch ein Punkt. Was gibt uns das Recht über den anderen zu urteilen? Wer sagt denn, dass die eigene Sicht- und Verhaltensweise, die einzig richtige ist. Gibt es nur eine richtige Meinung, eine richtige Lebensweise, eine Art und Weise, wie ich etwas machen darf? Obwohl ich mich nicht als konservativen Menschen sehe, ertappe ich mich manchmal immer noch dabei Konventionen zu folgen. Was dürfen Kinder zur Jause in die Schule mitnehmen? Soll man beim Autofahren einen Hut aufsetzen? Wie oft/selten sollte etwas gemacht werden? Gefährlich wird es, wenn im Hinterkopf folgende Formulierungen auftauchen: Das wird in unserer Familie so gemacht! Das ist in Österreich so üblich! Das weiß man doch, dass man sich so nicht verhält! Das sagt dir doch der gesunde Menschenverstand! Das haben wir schon immer so gemacht! Wenn sich keine anderen Argumente finden lassen, könnte das ein Hinweis darauf sein, einfach noch einmal darüber nachzudenken. Denn der wichtige Punkt ist, dass uns unser eingefahrenes und manchmal auch diskriminierendes Verhalten bewusst wird.
Und jetzt noch etwas Positives! Neues zu erfahren und Neues auszuprobieren verändert das Leben. Es bekommt mehr Farbe, wird intensiver, aufregend! Es ist wie ein kleiner Urlaub vom Alltag. Nehmen wir dieses Geschenk doch an!