Interviews

Interview mit Dr.in Beatrix Blaha-Hausner

An einem sonnigen Herbsttag traf ich mich, wie vereinbart mit Dr. Beatrix (Kinderärztin) im Schönbrunner Schlosspark.

Im Schlossgarten gibt es mehrere Brunnen, einer dieser Brunnen hat den Namen Obelisk-Brunnen. Er wurde in der Regierungszeit von Maria Theresa erbaut. Die Gestaltung des Brunnens, wie auch des gesamten Gartens wurde durch Franz I. Stephan von Lothringen (Ehemann von Maria Theresa) persönlich beaufsichtigt. Er hatte großes Interesse an anderen Kulturen, so auch für den Orient, wie es am Beispiel dieses Brunnens deutlich ersichtlich ist.

Der Obelisk ist ein Symbol der alten ägyptischen Zivilisation, am Obelisk-Brunnen in Schönbrunn sieht man hieroglyphenartige Zeichen und man nimmt an, dass mit diesen Bildern das Leben der österreichischen Kaiserin dargestellt werden sollte.

Dieser historische Schauplatz führte uns zu mehreren brennenden Themen über Ausländer, Fremde, Integration, Migration, eine Thematik also, die die österreichische Geschichte schon seit Jahrhunderten begleitet.

Sie hatten sowohl beruflich als auch freiwillig viel mit Ausländern und geflüchteten Menschen zu tun. Welche Erfahrungen haben Sie mit Ihnen gemacht? Haben Sie das Gefühl, dass Ausländer eine Gefahr für Sie sind? Denken Sie, dass alle Ausländer Österreicher nur ausbeuten wollen?

Ich habe meist sehr gute, aber natürlich auch weniger gute Erfahrungen mit Ausländern und Flüchtlingen gemacht. Damit unterscheiden sich die Erfahrungen mit Ausländern und Flüchtlingen nicht von denen, die ich auch mit Inländern machte. Auch mit ihnen machte ich gute und weniger gute Erfahrungen. Viele der Ausländer und Flüchtlinge sind zwischenzeitlich zu meinen Freundinnen und Freunden oder zur erweiterten Familie geworden und ich möchte den gegenseitigen Austausch und das, das ich auch von ihnen lernen konnte, nicht missen.

Menschen sind keine homogene Masse, egal, ob Ausländer, Inländer, Flüchtlinge oder welche Gruppierungen von Menschen wir sonst noch betrachten.

Ja, es gibt sicher Ausländer, die das Sozialsystem ausnützen, aber es gibt auch Inländer, die das tun, umgekehrt gibt es Ausländer, die Ausländer ausbeuten, Inländer die Ausländer und Ausländer, die Inländer ausbeuten… Ich denke, wo es Menschen gibt, gibt es auch ein breites Spektrum, wie diese sich verhalten, unabhängig davon, wo sie geboren wurden. Ich erinnere mich an eine Sendung, die ich kürzlich sah. Sie beschäftigte sich mit der Angst vor dem Fremden und den Wurzeln dieses Gefühls. Dieses Thema griffen auch Richard David Precht und Ilija Trojanow in einer schönen und interessanten Diskussion auf. Wenn man Lust dazu hat, es sich anzusehen, kann man es auf YouTube finden.

Nein, ich denke natürlich nicht, dass alle Ausländer Österreich nur ausbeuten wollen. Im Gegenteil, die meisten, die ich kennenlernte, wollten sehr schnell etwas an ihr Aufnahmeland zurückgeben, was ihnen oft nicht leicht gemacht wurde und wird und sie wollten auch so schnell als möglich in einen Arbeitsprozess eingegliedert werden.

Was halten Sie von dem, das bis jetzt hier bezüglich Integration umgesetzt wurde?

Österreich, aber insbesondere Wien ist bunt und vielfältig geworden. Welche Vor- und Nachteile bringt das mit sich? Wie können bestehende Nachteile verbessert werden?

Diese Fragen möchte ich gerne zusammen beantworten.

Es gibt da eine Begriffserklärung, die mir gut gefällt, nämlich, dass Integration einen dynamischen, lange andauernden und sehr differenzierten Prozess des Zusammenfügens und Zusammenwachsens beschreibt.

Dieser Prozess muss natürlich von allen beteiligten Menschen gewollt sein und mitgetragen werden. Dass dem nicht so ist, der Prozess auch bewusst von mehreren Seiten aus politischen oder religiösen Gründen, sowohl von der Ursprungsbevölkerung als auch von den Zuwanderern blockiert oder behindert wird, wissen wir alle, die sich damit auseinandersetzten. Deshalb ist es umso wichtiger, dass diejenigen, denen ein gutes, sich gegenseitig befruchtendes, respektvolles und friedliches Zusammenleben wichtig ist, unermüdlich daran arbeiten und sie versuchen, auch andere „mit ins Boot“ zu holen.

Bildung ist für eine gelungene Integration eine wichtige Voraussetzung und muss ermöglicht werden. Eine gemeinsame Sprache ist notwendig, um einander zu verstehen und sich gegenseitig austauschen zu können. Schulkonzepte, wie es sie offensichtlich in skandinavischen Ländern, ich glaube, auch teilweise in Canada, aber davon weiß ich zu wenig, gibt, wären auch hier wünschenswert. Davon sind wir noch weit entfernt, auch wenn engagierte Lehrerinnen und Lehrer meist sehr bemüht sind und großartige Arbeit leisten. Aber natürlich, auch hier gibt es welche, die Kinder aufgrund ihrer Herkunft abwerten und nach ihren Defiziten suchen, statt sie zu motivieren und ihre Stärken zu fördern.

Das gute Erlernen der Herkunftssprache, wie auch der gemeinsamen deutschen Sprache sollte bestmöglich gefördert werden. Dafür wäre sicher in einer Ganztagsschule mehr Raum, als in einer Halbtagsschule. Ethikunterricht für alle, altersangepasst vom Volksschulalter an, das Erlernen einer gewaltfreien Gesprächskultur, Rollenspiele, wie es sie an manchen Schulen ja bereits gibt, gemeinsamer Sport und andere Aktivitäten müssten Standard werden, wie auch eine bessere Durchmischung der Kinder bezüglich ihrer Herkunft und Sprachen. Ich denke, dass auch eine, für alle gemeinsame Schule wichtig wäre, damit nicht einige der Kinder nur mit den kulturellen und religiösen Vorstellungen ihrer eigenen Gemeinschaft vertraut gemacht werden. Wie soll eine multikulturelle Gesellschaft zusammenwachsen, wenn sie nicht schon von Kindheit an lernen kann, dass es auch anderes, außerhalb der eigenen Wertvorstellungen gibt und dass dies auch gut ist? So könnten Vorurteile von Kindesbeinen an abgebaut werden.

Aber das sind nur einige, wenige Aspekte von vielen, die mir dazu einfallen. Alle Bereiche anzusprechen, würde Stunden dauern und es gibt auch kompetentere Leute, die sich noch intensiver mit dem Thema auseinandergesetzt haben, wie eben z.B. Fr. Prof. Dr. Sieglinde Rosenberger und Herr Dr. Oliver Gruber, SOS Mitmensch, Zara, Hr. Dr. Mussa Al Hassan Diad, den ich vor mehreren Jahren bei einem Workshop kennenlernen durfte und viele andere mehr.

Ich, persönlich mag die bunte Vielfalt in unserer Stadt, genieße das bunte Treiben auf den Märkten, die Vielfalt des kulinarischen Angebots und insbesondere den kulturellen Austausch. Natürlich sehe ich auch alle Herausforderungen und manchmal auch Schwierigkeiten, die diese Vielfalt mit sich bringen kann, meist dann, wenn eine gemeinsame Sprache, gegenseitiger Respekt und Wertschätzung und Humor fehlen. Respekt, Toleranz, Wertschätzung, Humor halte ich grundsätzlich für wichtig im alltäglichen Miteinander. Radikales Gedankengut, egal ob religiös oder politisch, behindern oder verhindern den fruchtbaren Austausch und die Freude an der Vielfalt.

Übrigens hat schon Wolfgang Schmeltzl 1548 in seinem „Lobspruch der Stadt Wien in Österreich“ das multinationale Treiben und die Sprachenvielfalt am Lugeck, im 1. Bezirk, in einem Gedicht erwähnt. Es ist also kein neues Thema.

Zeinab Mohamed

Sozialberaterin für Jugendliche und junge Erwachsene

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