Interviews

Gerechtigkeit statt rassistische Hetze

Nicht alle Afrikaner sind Drogenhändler und leben vom Sozialgeld.

Afrikaner, Asiaten, Araber werden täglich diskriminiert und rassistisch beschimpft.

Nur mit kräftigen Gesetzen und bestimmten Strafen gegen den Rassismus wird die Situation beendet werden.

Der Tod des Afroamerikanischen George Floyds hat die Welt erschüttert, da er“ einer dieser großen Wendepunkte in der Geschichte ist, was bürgerliche Freiheiten, Bürgerrechte und die gerechte Behandlung von Menschen mit Würde betrifft.
In Österreich wurde eine Demo gegen Rassismus geführt, um das Zerrbild über Afrikaner zu verändern. Pierre M, einer der von dem Rassismus und der Diskriminierung betroffen ist, ist im Gespräch mit der Meinung

Wie hast du auf den Todesfall von George Floyd reagiert?

Erstens habe ich an meine vier Kinder und ihre Zukunft ohne Vater gedacht.

Zweitens habe ich an die Gewalttat der Polizei gedacht, weil ich selbst Erfahrung damit gemacht habe.

Die Demonstration wurde von Freunden organisiert. Ich war beschäftigt aber im Gedanken war ich bei ihnen.

Auf den sozialen Netzwerken haben wir an alle Freunde die Infos gesendet, um zu sagen, dass wir in einem demokratischen Land leben und diese Gewalttaten von der Polizei gegen Menschen anderer Hautfarben während Kontrollen nicht geht.

Es gibt Gesetze, die eingesetzt werden müssen, damit diese rassistischen Taten beendet werden können.

Mensch ist Mensch. Österreich ist ein christliches Land. Die Bibel sagt, dass man lieb zu einander sein soll aber manche Polizisten machen unmenschliche Sachen.

Hat diese Demonstration positive Auswirkungen auf das, was ihr euch gewünscht habt?

Ich kenne Österreichischer, die gegen Rassismus und Diskriminierung kämpfen.
Sie haben die Demonstration organisiert und teilgenommen.

Diese Unterstützung hat eine große Bedeutung. Sie sehen auf der Welt, zu was Diskriminierung und Rassismus führt: zum Hass und Tod. Sie wollen das auch beenden.

Wir waren bei der Demonstration am Platz der Menschenrechte, auf dem ein Denkmal für den brutalen Fall gegen den Afrikaner Omofuma Marcus steht. Er war Opfer von Polizeigewalt. Es gibt viele Opfer von gewalttätigen Polizisten in Europa, nicht nur Afrikaner, sondern allgemein Menschen anderer Hautfarben.

Wer ist dafür verantwortlich?

Die Regierung muss die Verantwortung für die Umsetzung des Gesetzes tragen, wobei die geschädigten Menschen die Gerechtigkeit sehen. Sie muss darauf schnell reagieren und im Laufe der Zeit wird dieser Gedanke über den Rassismus beendet werden.

Religion spielt eine große Rolle im Leben. Sie unterrichtet die Liebe zu einander.
Die Schule und Eltern sollen den Kindern zeigen, dass nicht alle Afrikaner Drogenhändler sind und nicht alle vom Sozialgeld leben.

Was bedeutet Rassismus und Diskriminierung für dich?

Es geht nicht nur um andere Hautfarben sondern auch darum, dass zum Beispiel BürgerInnen aus Kärnten oder Tirol wegen eines anderen sprachlichen Akzentes anders behandelt werden.

Afrikaner, Asiaten, Araber werden täglich diskriminiert und rassistisch beschimpft.

Deine persönlichen Erfahrungen mit Rassismus?

Als ich in den Bus gestiegen bin, habe ich eine alte Dame gesehen, die neben der Tür stand. Aus Höflichkeit habe ich zu ihr gesagt „nehmen Sie Platz“. Allerdings reagierte sie ärgerlich darauf und sagte „Nein ich will nicht, ich steige die nächste Station aus“ Sie ist nicht bei der nächsten Station ausgestiegen, sondern bis ans Ende der Linie gefahren. Ich habe bemerkt, dass ihre Reaktion aufgrund meiner Hautfarbe war und tat weh.

Einmal hat mich auf der Straße plötzlich die Polizei kontrolliert, weil jemand Drogendealer im Park gemeldet hat. Meine Identität wurde verlangt. Bevor ich ihnen meinen Ausweis gab, wollte ich von der Polizei wissen, warum sie mich kontrollieren, obwohl ich vom Billa Einkaufstaschen voller Essen in der Hand hatte. Ich fasste das nicht. Was hat ein Dealer mit mir zu tun? Ich wurde von der Polizistin „eh du Afrikaner“ genannt, obwohl sie meinen Ausweis hatte.

Ein Mann mit Nazi Kleidung hat mich um Geld gebeten. Weil ich ihm nichts geben wollte, hat er mich Affe, Neger geschimpft. Ich habe ihm empfohlen, arbeiten zu gehen und davon zu leben anstatt auf der Straße zu stehen, zu betteln und Leute zu beschimpfen.

Hast du das Gefühl, dass du hier fremd bist?

Nein, aber jeden Tag geben einem manche Nachbarn in dem Gebäude, in dem ich lebe das Gefühl.
Als ich eine Gemeindewohnung besichtigen wollte, versperrte mir der Hausbesorger den Gang. Er hat laut gefragt, wen ich besuchen will, da kein Afrikaner hier lebt.
Leider gab es keine Strafe nachdem ich mich bei der Gemeinde über ihn beschwert habe.

Die Kinder erleben solche Situationen in der Schule. Die Schüler machen sich über sie lustig und nennen sie Schokolade, was meine Kinder nicht mögen.

Die traurige Geschichte, die ich nie vergessen werde, war als ich im Jahr 2010 von der Polizei verhaftet wurde. Damals wurde ich unter Zwang zur Abschiebung in mein Heimatland zum Flughafen gebracht. In der Flughafenpolizeistation wurde ich nackt gecheckt, warum weiß ich aber nicht. Danach wurde ich vor das Flugzeug gebraucht und auf einmal wurde ich von vier Polizisten aufgehoben, die mich schnell ins Flugzeug schicken wollten. Vor der Tür hat die Polizei meinen Kopf auf die Eisentür geschlagen, als sie mich auf den Beinen stehen lassen wollten, weil die Stewardess zuerst mit dem Piloten sprechen wollte bevor sie mich rein lassen. Ich habe ausgeblutet. Die Rettung brachte mich ins Donauspital und danach wurde ich entlassen.

Wurde dein Asylstatus damals geschlossen?

Nein, es lief noch als die Polizei mich zurückschicken wollte.
Nein, es gab keinen Gerichtsbeschluss. Diesen habe ich nicht von der Polizei gesehen.

Bist du mit diesem Land zufrieden?

Ja, sehr.
Ich habe österreichische und internationale Freunde kennengelernt.
Ohne Gott und ohne ihre Unterstützung würde ich meine Familie vielleicht nicht mehr neben mir haben.

Meine Deutschlehrerin Heike und ihre Familie, meine Betreuerin Kathi Glawischnig und ihre ganze Familie, mein Freund Dieter und der Ute Bock Verein haben mir viel geholfen. Sie sind wie eine Familie für mich und sie stehen mit mir unter dem Regen.

Bild: Die Meinung

Wie sollen wir mit den Kindern über Rassismus sprechen?

Mein Sohn hat mir das Video vom Todesfall von George Floyd gezeigt und sofort hat er geweint. Ich konnte seine Tränen auf den Wangen nicht sehen. Er ist von Rassismus auch betroffen. Sowohl in der Schule als auch in unserer Gemeindewohnung.

Traurige Geschichten: Der Lehrer und die Schüler nennen ihn Schokolade, oder Affe.
Von den Schülern hört er Schimpfwörter wie Sklave, was ihn ärgert. .

Die Kinder lernen falsche Dinge von den Eltern bei der Erziehung. Man kann nicht die Ideologie oder den Charakter ändern. Nur mit kräftigen Gesetzen und bestimmten Strafen gegen die bösen und dummen Menschen.

Fühlst du, dass du nicht zu dieser Gesellschaft gehörst?

Nicht in der Arbeit, weil ich in der Nacht arbeite und mit Flüchtlingen, die davon auch betroffen sind. Aber die Leute, die ich betreue, hören von Zeit zu Zeit Schimpfwörter. Afrikaner und Araber erleben diese Situationen mit traurigen Gefühlen.
Afrikaner werden auch in den arabischen Ländern unmenschlich und schlecht behandelt und leiden unter dem Abhacken der Hände in Kuwait und Saudi Arabien. Das soll beendet werden.

Ändert der Tod George Floyds die Diskriminierung und Rassismus gegen Menschen mit schwarzer Hautfarbe?
Die Situation in den USA hat die ganze Welt gefasst, aber wir sollten auch nicht die Situation in den arabischen Ländern vergessen. Fremde leiden unter Schmerzen und Tod in Kuwait, Saudi-Arabien, Libanon, Algerien, Marokko…
Ich appelliere an alle NGOs gegen die Sklaverei zu kämpfen.

Sie sollen wissen, dass Menschen mit anderer Hautfarbe auch Menschen sind und Rechte und Würde haben.

Bild: Die Meinung

Was können wir tun, um als Gesellschaft rassismuskritischer zu werden?

Man muss die Gesetze unterstützen und einsetzen. Wenn man rassistisch geschimpft hat, soll man bestraft werden, somit werden Menschen damit aufhören.

Kinder sollen sich nicht wegen ihrer Hautfarbe schämen, sondern stolz darauf sein. Man kauft die Hautfarben nicht, sondern wird von Gott so geboren und man kann es nicht ändern.

Eltern sollen die Geschichten ihres Lebens und ihrer Länder ihren Kindern erzählen.

Man soll im Schulunterricht viel über Diskriminierung und Rassismus sprechen und Workshops abhalten. Es soll aufgezeigt werden, wie ein gutes Sozialleben miteinander aussieht, egal welche Religion oder Hautfarbe jemand hat.

Hekmat Hanh

Journalistin, Chefredakteurin Die Meinung

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